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Arbeitsteilung nach Adam Smith

Das Prinzip der Arbeitsteilung gilt zweifelsfrei als fundamentale Grundlegung des modernen Wirtschaftslebens und ähnlich grundlegend ist die Bedeutung des Werkes von Adam Smith
1) für die Wirtschaftswissenschaft. Ganz folgerichtig beginnt seine Untersuchung auch im ersten Kapitel des ersten Buches mit der Beschreibung der Arbeitsteilung als Hauptfaktor "zur Verbesserung der produktiven Kräfte in der Arbeit". Das zweite Kapitel erläutert dann "das Prinzip, das der Arbeitsteilung zugrunde liegt".1
Kühn wird darin postuliert, dass die Arbeitsteilung nicht das Ergebnis menschlicher Erkenntnis sei, sondern vielmehr zwangsläufig aus einer natürlichen Neigung zu Handel und Tausch entsteht. Ob dies nun angeboren oder als eine notwendige Folge von Denken und Sprechen sei, solle nicht weiter untersucht werden. Diese, allen Menschen gemeinsame Eigenschaft, mündend in die Neigung zum Tausch, soll letztlich auch den Anstosz zur Arbeitsteilung gegeben haben. Nach Smith kam das so: Unter den Jägern und Hirten war einer besonders talentiert, Pfeile und Bogen zu machen. Die tauschte er dann später gegen Vieh und Wildbret. Und – klug wie er ausserdem war – stellte er fest, dass er durch Bogenmachen mehr davon bekommt, als wenn er selber jagt.

Ein solch anschauliches Bild der Arbeitsteilung will sich dem Verstehen schnell eingliedern. Doch ein zweiter Blick auf diese Geschichte, etwas vertiefend, offenbart Knicke im Bild.
Betrachten wir die Stammeswirtschaft. Da geht am Morgen der Stamm seinen Tätigkeiten nach, treibt Vieh auf die Weide, geht zum Fischen und Jagen, repariert die Hütten und verrichtet die übrige Tagesarbeit, die den Erhalt des Stammes sichert. Wer sich nun einen schöneren und besseren Bogen geschnitzt hat, geht mit diesem am nächsten Morgen auf die Jagd. Abends sitzt der Stamm am Feuer, dankt den Göttern und erzählt Geschichten aus den Wäldern. Mag sein, der talentierte Bogenmacher erscheint mit seinem verbesserten Modell. Schwerlich wird er nun mit einem guten und einem schlechteren Bogen jagen. Den alten bekommen die Kinder zum Spielen und Niemand wird Vieh oder Fisch eintauschen: denn in der Stammeswirtschaft wirtschaftet der Stamm gemeinsam, und die Verteilung vorhandener Güter folgt aus der sozialen Ordnung, die sich an Erhalt und Gedeih des Stammes orientiert.

Die Idee der Arbeitsteilung hingegen setzt eine Kulturstufe voraus, die Menschen nicht nur als soziale Wesen, sondern auch als Individuen sieht. Erst die römische Idee des mit Rechten ausgestatteten Bürgers ermöglicht das persönliche Eigentum und sieht den Menschen als Individuum. Das aber ist eine Bedingung der Arbeitsteilung, die nicht der Anschaulichkeit halber historisch beliebig plaziert werden kann. Während wir in der Stammeswirtschaft noch keine Arbeitsteilung, sondern gemeinsame Daseinsfürsorge antreffen, tritt sie in der Dorfwirtschaft hingegen auf.
Wie kann sich der Wandel vollzogen haben?
So wie in der Stammeswirtschaft alle Stammesmitglieder in die Alltagsarbeit einspannt sind, entsteht weder Bedürfnis noch Möglichkeit für einen Einzelnen, irgendeines seiner Talente ausserhalb des Gemeinsamen auszuüben. Die Vorstellung, durch überdurchschnittliche Leistung in eine hervorgehobene Position zu gelangen, entspringt ganz offensichtlich einer modernen, individualistischen Vorstellungsart. Hierbei wird unterschlagen, dass für eine mögliche Talentausübung zuvor eine soziale Übereinkunft getroffen werden muss. Denn wer zuhause bleibt und Pfeil und Bogen macht, wird in der Stammeswirtschaft aus der Gemeinschaft entschieden. Ohne deren Zustimmung würde auch der talentierteste Bogenmacher zum Jagen mitgehen oder auf andere Weise seinen Dienst zur gemeinsamen Unterhaltsfürsorge leisten.

Auch in wirtschaftlicher Betrachtung klafft im Beispiel von Adam Smith eine Lücke. Während unser Bogenmacher zuhause bleibt, jagen die anderen für ihn mit oder verzichten auf Anteile der Jagdbeute. Insofern kann beim späteren Tausch – Bogen gegen Wildbret – der Bogenmacher nicht vollständig über seine hergestellten Produkte verfügen, da er zunächst seinen fehlenden Anteil an der Daseinsfürsorge mit einem Teil seiner hergestellten Bogen ausgleichen muss.

Und noch eine Schwäche des Beispiels erwächst aus theoretischem Ausspinnen. Wer jemals an gemeinschaftlichen Aufgaben mitgearbeitet hat, hat andere Kriterien der sozialen Auswahl erlebt. Bei gemeinsamer Arbeit wird die Aufgabenverteilung nicht an den persönlichen Talenten und Vorlieben, sondern an der Aufgabe orientiert.
Wird ein Garten angelegt, so wird der kräftigste zum Umgraben bestimmt, wer ausdauernd ist fährt Schubkarre, die Kinder lesen Steine und wer übrigbleibt, räumt den Dreck weg. So wird auch in der Stammeswirtschaft die Bogenmacherei wohl eher den Verletzten oder den Alten aber nicht den Talentierten überantwortet werden.


Wozu diese Kritik?

Ein so akribisches und umfängliches Werk wie das von Adam Smith verdient Bewunderung und gibt vielerlei Anregungen und Aufschlüsse. Wie im späteren Werk von Karl Marx zum gleichen Thema finden wir umspannende Gedanken und viele Modelle und Beispiele die uns Wirkzusammenhänge erläutern sollen. Überzeugend sind sie und logisch, fügen sich leicht in unsere Gedankenwelt ein und bauen ein Gedankengebäude auf. So entsteht ein ideologisches Hirngespinst, eingesperrt in Vorstellungen, die abseits der Realität nur leeres Leben in sich tragen.

Kehren wir zum Beispiel zurück und betrachten einige Konsequenzen. Erste Voraussetzung für Arbeitsteilung ist die soziale Übereinkunft, die dem Einzelnen die Möglichkeit zur Ausübung seines Talents einräumt. Selbstverständlicher Teil dieses individuellen Rechts ist auch die Berechtigung aller Andern in der Gemeinschaft, ihre speziellen Talente ausüben zu dürfen.

Für die wirtschaftliche Betrachtung gilt: nicht alle Erzeugnisse aus der Arbeitsteilung können vom Erzeuger für sich beansprucht werden. Der Teil, der dem arbeitsteilig Produzierenden die Existenz sichert, ist der sozialen Gemeinschaft geschuldet – wie immer diese auch sich beschreibt.

Der Mensch als individuelles Wesen lernt beständig, nimmt neues Wissen und weitere Fähigkeiten in sich auf, strebt danach, universeller und allgemeiner zu werden. Als Gemeinschaftswesen hingegen wird er auf die Ausübung seiner gegebenen und erworbenen Talente und Fähigkeiten verpflichtet. Arbeitsteilung lebt in dieser Polarität und kann ihre Kraft nur unter der Berücksichtigung beider Pole entfalten.
Die einseitige Hervorhebung des individuellen Pols verdeckt die sozialen Aspekte, entblösst sie ihrer Funktionalität und hat zu der modernen Einschätzung geführt, die alles Soziale wie eine lästige Fürsorge für Zurückgebliebene ansieht. Ohne die sozialen Wirkzusammenhänge jedoch gäbe es keine Entfaltung des Individuellen.

1) Smith, Adam (1776): Der Wohlstand der Nationen: Eine Untersuchung seiner Natur und seiner Ursachen, Müchen: C. H. Beck. Neu übertragen und mit einer Würdigung von Horst Claus Recktenwald (1974).