Aktuelles

Archiv
Arbeitsteilung
Genderdebatte
SZ
Arco
Inzwischen
Vollplaybacktheater
Bergflöhe
Stuttgart 21
Open Eyes 2005
Arbeit - live
Nach Kroatien
Gran Sasso
Kenya
Gekaufte Links
Winterfreunden
Forinthenkacker
Infotag
Garvald
Dublin
St. Paul en Jarez
Über Arbeit
Dottenfelder Hof
¡ Gracies !
Schottland
Internet für Anfänger

Klettern

Sonstiges

Info



l'Aquila



L'Aquila ist die kälteste italienische Stadt. Aber was soll das schon heissen? l'Aquila liegt unweit der Abruzzen, fast am Fusz des Gran Sasso. Das heisst was. L'Aquila ist die Stadt der "99" und heisst "die Adler".
Wenn man nach Fiumicino geflogen ist, steigt man in den Zug um und dann in Tiburtina aus. Dort ist es sehr warm und es gibt einen Busbahnhof. Von hier kann man mit dem Bus nach Warschau oder Madrid reisen oder nach l'Aquila. Man muss die richtige Bilghietteria finden, etwas anstehen, für 8,90 Euro eine Fahrkarte kaufen und in den Bus steigen. So kommt man hin. Ist ganz einfach, wenn man italienisch spricht.

So kommen wir auch hin und mittlerweile dämmert es. Der Bus umrundet die Stadt, lässt auf Zuruf unsere Gefährten aussteigen, und bei jeder Haltestelle fragen wir uns ob wohl die nächste günstig liegt und ob die Endstation nicht eine Falle ist. So kommt es. Noch durch einen Tunnel und da ist das Terminal Bus. Oben Beton und Asphalt mit einer Rampe in die Unterwelt. Da gehts rein. Mist!
Ein letzter Pressluftseufzer, die Türen gehen auf. Wir sammeln unser Gepäck ein und trotten den letzten Passagieren hinterher. Treppe rauf, Uscita, Piazza Duomo. Plötzlich stehen wir im Tunnel und ein Laufband entfernt uns vom unwirtlichen Ort. Es geht aufwärts und auf den Schildern entdecken wir, dass es rund fünhundert Meter schräg nach oben geht.





Alles wird gut. Eine letzte Treppe entlässt uns auf den Domplatz. Einladende Wärme umgibt uns und wir streben zielsicher in die nächste Gelateria. Da sind wir, eisschleckend, wärmeatmend, erwartungsfroh.
Ein Bett muss noch her und eine Dusche. Beides gibts im Hotel Duomo, gleich an der Piazza. Und schon sind wir wieder draussen, genieszen die italienische Nacht und die italienische Kochkunst. Und ganz italienisch lassen wir uns treiben, mit tausenden Anderen, durch die Gassen, von Gelateria zu Gelateria, vorbei an Bars, Restaurants, von Musik zu Musik, dazwischen Schaufenster, Kinder, gute Laune. Wir denken an Ulrike als wir vor einer Buchhandlung stehen, die noch bis eins in der Nacht geöffnet hat. Schlaraffenland.



Die Deutschen haben die Mülltrennung erfunden. Das ist groszartig und das gibt es nun auch in Italien mit verschiedenen Behältern für die unterschiedlichen Reststoffe. Einer ist für Glas, steht unter unserem Fenster.
Die Italiener haben den Lärm erfunden und leben ganz glücklich damit, auch wenn es kein Exportschlager geworden ist.
Mitten in der Nacht tut es einen Schlag, als sei ein Balkon am Haus runtergeknallt. Wir sitzen aufrecht im Bett und beissen einem Hotel-Stern eine Spitze ab. So ordentliche Leute, räumen noch in der gleichen Nacht alles ordentlich weg. War ein heisser Tag, wurde viel getrunken.

Der nächste Morgen erklärt uns den Ordnungsdrang in der Nacht. Wo am Abend Tische mit Menschen die Piazza und die Gassen füllten, hat sich am Morgen der Markt mit Menschen ausgebreitet. Wir sind im Lande des Designs und staunen nicht schlecht über dieses Prachtstück. Auf der Bauchbinde steht: "All-Purpose Bin".
Wir bummeln zwischen den Ständen zum Frühstück und staunen so nebenbei auch über die Preise. Unser Abendessen fiel schon günstig aus: Vorspeise, Hauptgericht, Wasser und Cappuccino, zwei Personen, geschmeckt hat es und 25 Euro gekostet. Die Busfahrt war billig, Essen und Hotel - wir beschlieszen, noch einen Tag zu bleiben, bevor es in die Berge gehen soll. Wo der Bus abfährt wissen wir ja schon und so bleibt uns Zeit für gelassenes Rumstromern mit den Touristenstadtplan in der Hand.




Wir erfahren von der wechselvollen Geschichte des Ortes, ein Widerstandsnest gegen die französischen und spanischen Besatzer. Neunundneunzig Glockenschläge gibt es am Dom, neunundneunzig Plätze soll es geben und die neunundneunzig Wasserspeier der "Fontana Rivera" stehen für die neunundneunzig konförderierten Burgen der Umgebung, von denen die Stadtgründung ausging.





Neunundneunzig Kirchen würden uns überfordern und so haben wir auf alle verzichtet. Das Büro des C.A.I. haben wir gefunden, Informationen über Berge und Kletterrouten gabs dort nicht, weil umgebaut wird. Aber das macht doch alles garnichts, wir besorgen uns eine Wanderkarte und wir haben Urlaub. Wir besuchen noch die Autovermietung im Terminal Bus und reservieren ein Auto für den nächsten Tag. Wir wollen die Bergersteigerschule (www.montabruzzo.it) in Roccamorice besuchen und das mittlere Meer sehen.
Die haben zwar eine Website auf deutsch, denn der Chef, Giampiero di Federico hat einen Freund, der deutsch kann. Leider ist die Konversation in der Praxis mit meinem begrenztem italienisch und seinem begrenztem englisch nicht so vertieft. Aber dreihundert Routen haben die um die Ecke. Ist doch was.
Pescara ist die Stadt an der Riviera. Zwischen Meer und Land war einst der Strand. Das ist Sand unter den Liegestühlen und Schirmen. So weit das Auge reicht, angeblich ohne Unterbrechung bis nach Rimini. Was soll das? Nicole geht ins Wasser hinaus, ich mache meine Füsze nass. Sie trocknen wieder. Nicht sensationell.

Dann geht es in die Berge. Wir sind ganz voll mit Stadt, Lärm und gutem Essen. Heute lernen wir eine Lektion über italienische Nahverkehrsbusse. Man muss umsteigen. ? Ein Student vom Nuklearforschungsinstitut im Gran Sasso macht das alles für uns. Wir kommen spät an und neben dem Campingplatz gibt es Hotels. Wieso sollen wir heute Nacht im Bivaksack schlafen, wenn man nebenan Bett und Dusche mieten kann? Na eben!
Die Nacht ist nicht allein zum Schlafen da. Auch muss noch das Leergut entsorgt werden. Dafür gibt es auch hier den Glascontainer. Das war aber erst später.
Zuerst sind wir noch herumgelaufen an der Stazione Funivia. Gleiszende Lichter werfen unsere Schatten auf den Beton. Eine Lampe ist mehr gelblich, eine mehr bläulich. Unsere Abbilder werden mit farbigen Schatten verziert. Wir treiben allerlei Späsze damit und denken natürlich auch an die "Optik der Bilder" von Georg Maier. Der hätte auch seinen Spasz gehabt.
Irgendwie sind wir immer noch nicht in den Bergen angekommen und drücken uns vorm Urlaub. Morgen wird es aber wirklich anders. Fahren wir mit der Bahn hoch oder tun wir heldenhaft?





Frühstück in Italien ist ja nicht soo früh. Also besser doch die Bahn.
Es hat sich bewölkt wie schon in den Tagen zuvor, an denen wir von l'Aquila aus einen Blick zum Gran Sasso hinauf hatten. Nach der Hitze der Stadt und im Aufstieg istuns das sehr willkommen.
Von oben schaut man runter. Auf eine ausgedehnte Hochebene, den Campo Imperatore. Die umgebenden Berge haben ideale Hänge fürs Skifahren, auch abseits der Pisten. Es sieht lawinensicher und ungemein einladend aus.



Unsere Wanderkarte lässt an Genauigkeit zu wünschen übrig doch wo es lang geht ist ohne Zweifel klar. Weniger der Blick auf die Gipfel. Hartnäckig schiebt sich immer wieder neues Wolkenmaterial in den Pass.
Die Rucksäcke sind schwer, denn wir tragen alles mit, um draussen übernachten zu können. So bleibt es beim langsamen Vorankommen. Über uns fliegt die Bergwacht einen Einsatz und genau dort, an der Grenze zwischen den Bergen und den Wolken auf die wir zuhalten, werden Abgestürzte geborgen. Wir werden freundlich gegrüszt und nach kurzem Gedankenaustausch lassen wir uns von der Wolke verschlucken, denn rechts gehts rum zum "Bivacco Bafile".





Es zieht sich hin. Knapp acht Meter Sicht und der Weg zum Bivak ist mehr ein Klettersteig. Wo wir hin wollen wissen wir, wo wir sind können wir nur ahnen und die Karte ist auch keine Hilfe. Es kommen Zweifel auf über den Weg und ob wir nicht im Nebel am Bivak vorbei gelaufen sind.
Sind wir nicht. Und nach einem letzten kleinen Anstieg steht da wirklich die rote Kiste. Recht ordentlich, stinkt nicht und bietet Platz für zwölf Leute im Notfall. Wir sind aber allein und froh und etwas müde. Das war um halb Vier.





Auch Klettern in Italien ist nicht so früh. Halb Neun Sommerzeit ist es und aufgeklart. Vier lustige Gesellen tauchen auf. Alle sprechen englisch und so ist der Gesellschaftsabend gerettet.

Natürlich muss telefoniert werden aber dann wird die Küche eröffnet. Es reicht für alle."Alle" sind mittlerweile noch drei mehr und das Bivak ist voll. Die Nacht ist unruhig.





Uneingeschränkt gutes Wetter gibts zum Frühstück und unsere Freunde haben sogar eine Espressokanne mitgebracht - also auch Kaffee am Morgen. Nicht weit von der Hütte, auf dem Zustieg zweigt eine markierte Route zum Gipfel ab. Die gehen schon mal vor, wir ziehen aber den Klassiker vor, zumal wir auch keine Helme dabeihaben und mit zwei Seilschaften vor uns...


Sonntag ist es, die Sonne strahlt italienisch warm. Wir pirschen zum Abzweig zurück, heute mit Sicht und schneller, nur die Rucksäcke sind gleich schwer geblieben. Dann biegen wir auf die Hauptstrasze ein, die zum Corno Grande führt. Viele wollen nach oben. Leichtes Klettergelände, gut gestuft, Schwierigkeit bis III-. Knapp fünfhundert Höhenmeter bis auf den Fast-Dreitausender.


Hier trifft sich dann die ganze Sontags-Ausflugs-Gesellschaft. Mit uns.
Es ist wirklich voll, denn neben dem Kletterweg führt noch der Normalweg zum Gipfel. Hier kommen Familien mit Kindern und Frauen in einer endlosen Karawane hochgezogen. Am Kreuz wird für das Gipfelphoto angestanden. Von hier könnte man über einen Kamm zum Vetta Centrale und zum Vetta Orientale rüberklettern. Das wollen wir nicht, wir machen uns an den Abstieg über den Normalweg, wühlen uns durch das Gedrängel nach unten.



"Unten" ist eine flache Senke, Rastplatz und Versammlungsort. Es gibt jede Menge Rummel aber Italiener lieben Lärm. Lärm ist Leben.
Hier treffe ich auch Engländer und die haben eine bessere Karte im Maszstab 1:25000. Mit dieser lerne ich auch meine Karte zu verstehen. Links steht das Corno Piccolo und zwischen den beiden Hörnern liegt der südlichste Gletscher Europas. Ich würde eher auf ein Firnfeld tippen aber möglicherweise ist ja irgendwo Eis drin. Würde ja auch nichts hermachen, das südlichste Firnfeld Europas.




Uns ist warm, doch wir wollen uns auch nicht ganz faul geben. So beschlieszen wir durch den Pass zwischen den Hörnern zum Refugio Franchetti abzusteigen. Und da wir faulen Wanderurlaub machen, lassen wir langsam angehen und werden erst auf der Hütte beschlieszen wie es weitergeht.
Die Wassernot ist vorbei, es gibt Schatten und Getränke im Refugio. Und es gibt auch hier jede Menge Betrieb. Das erklärt sich leicht, denn auf der anderen Seite gibt es einen Sessellift. Auch wir machen es uns einfach, gehen noch eine gute halbe Stunde nach unten und reihen uns in die Schlange am Lift ein. Der bringt uns nach Prati di Tivo. Typischer Skiort: ein paar Hotels, Parkplatz und sonst nix. Wir müssen wieder nicht im Bivaksack schlafen.


Das ist einer schöner und normaler Wandertag heute. Wir brechen am Morgen in Prati di Tivo auf und müssen nur von der Strasze weg ins Valle del Rio Arno. Aha! Hier entspringt der und wir folgen dem Tal hinauf zur Quelle. Die ist ganz unromantisch im Betongehäuse. Für romantische Bedürfnisse gibt es die Grotta dell' Oro. Bin nicht so sicher, ob wir die gesehen haben. Wenn ja, wars nicht so beeindruckend.
Wir folgen dem Weg aufwärts, der uns am Rifugio Garibaldi vorbei auf den Monte Aquila führt und erreichen unsere letzte Station, das Rifugio Duca degli Abruzzi. Damit haben wir die Gran Sasso Gruppe von Süd nach Nord durchquert und dann in einem Bogen über Osten halb umrundet.
Wir sind zufrieden, verbrauchen unsere letzten Vorräte und freuen uns, dass auch fauler Wanderurlaub so nett sein kann. Im letzten Abstieg sehen wir den groszen Stein nochmals ohne Wolken und entdecken mit blinzelnden Augen sogar den kleinen Sporn, auf dem die Bivakschachtel steht.


Wir sind in Italien und da trifft es jeden mal: der Bus kommt nicht. Bis Assergi können wir trampen und hier kommt dann auch ein Bus, der uns wieder nach l'Aquila zurückbringt.
Zum Terminal Bus, zur Piazza Duomo, zum Hotel. Ein letzter ruhiger Abend vor der Abreise nach Rom. Die Luft ist lau, Karaoke gibt heute auch wieder, das Essen ist gut wie immer und weil es nicht so bleiben kann, müssen wir wohl irgendwann wiederkommen.
Wir verschwinden ins Hotel und am nächsten Morgen die Fahrtreppen runter.
Terminal Bus
Tschüss