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Garvald



Mag sein, morgens um sieben ist die Welt noch in Ordnung, mag ja auch sein, dass Viele dann schon lange an der Arbeit sind. Sicher ist aber, morgens um sieben ist es noch dunkel in Schottland, im Dezember. Kühl ist es auch - aber nur die Witterung - doch das liegt nicht an der Uhrzeit. Warm ist der Empfang und das Auto springt an und schon bin ich wieder in Garvald: "Good morning, Fiona" - "Good morning, Rolf". So, als wäre ich gestern erst gegangen und nicht vor einem halben Jahr. Schön, wieder bei Freunden zu sein.
Frühstück gibt es, heissen Kaffee und eine Menge zu erzählen natürlich. Diesmal bin ich nicht zum Arbeiten da, wir wollen über Wasser sprechen, Wasser ansehen, Wasser suchen.





Martin hat Aktenordner und Pläne beschafft, die bis an den Anfang des letzten Jahrhunderts zurückreichen. Seltenes Papier finden wir darunter, darauf eingezeichnete Wasserleitungen von A-K. Das sehen wir uns an. Ein "diviner" war schon vor Jahren dagewesen und hatte seine Fundstellen auf dem Plan vermerkt. Wir kommen auf dem Gelände herum, finden merkwürdige Verhältnisse und hoffen auf eine gute Quelle an einer der gefunden Stellen.
Kühl ist es und neblig, der Nebel ist wie Watte, verlangsamt alles und zeigt uns die Welt wie mit dem Weichzeichner. Nach den letzten Tagen Groszstadt ist das ein angenehm kontrastierendes Gefühl.



Heute abend steht mir etwas Besonderes, etwas typisch britisches bevor. Wir gehen in eine "panto". Heisst im Original "pantomime" ist aber garnicht stumm, eher das Gegenteil. Wir brausen mit dem Bus erst einmal anderthalb Stunden über Landstraszen nach Heriot und dort ins Gemeindezentrum.
Es ist laut darin. Ein normannisch-britisches Langhaus, auf der einen Seite die Bühne auf der anderen Wir. Alle warten auf Robin Hood und vertreiben sich die Zeit mit britischer Konversation. Ja, ich bin zum ersten mal in Heriot, nein, eine Panto habe ich noch nie gesehen. Sowas haben wir nicht in Deutschland, ganz im Süden. Ja, ich finde es sehr interessant.
Das stimmt, denn das hier ist anders.





Martin erkundigt sich nach meinem Wohlergehen und macht Anspielungen auf meine Erlebnisse in Frankreich. Aber hier ist es anders. Ich staune: von sehr jung bis sehr alt haben sich wirklich alle hier versammelt und Ausländer und Residents fallen auch nicht aus dem Rahmen.
Robin Hood is ne Frau.
Der Geräuschpegel entspricht dem Fun. Wir haben viel davon.
So tobt und singt die ganze Bande mit Klavier, Kostüm, Klamauk "their misrepresentation" über die Bühne und durchs Publikum. Talente und Mistalente präsentieren sich, bringen die vordersten Reihen zum Brüllen und wenn der Sheriff or Notts erscheint, wird gebuht und gezischt. Ich zische mit und bin amused.



Mein Englisch ist überfordert und nur weniges verstehe ich gut. Aber die Namensgebung für den Esel, der für den Handlungsstrang zwar nicht erheblich, doch zur Einbindung des Publikums ins Geschehen von groszem Wert ist, die bekomme ich gut mit. Da geht es Hin und Her bis Einigkeit entsteht: dann soll er George Bush heissen - Georgedoubleyu. Prima.
Nachdem alle Drachen verdroschen und die Bösen besiegt sind, kommt der Abgesang und den kann ich mitsingen, denn wir haben Text.
Das gab mir zu denken auf: hier war echter Klamauk, liebevoll und mit groszer sozialer Beteiligung aufbereitet. Kunst sicher nicht aber ein Riesenspasz und vor allem: wenn ich es vergleiche mit anderen Ereignissen ähnlicher Art - überhaupt nicht peinlich! Martin erklärt das mit dem Volkscharakter der Briten, der sowas trägt.
Schlieszlich werden wir noch zu Tee und Keksen eingeladen, ganz privat und locker.





Es weihnachtet. Das hat auch unangenehme Folgen: die Bäckerei läuft zwar auf vollen Touren, produziert aber für "den Markt". Unsere nächtlichen Cookie-Orgien entbehren so ihrer bedeutendsten Grundlage und wir müssen uns an Kaufzeugs delektieren.
Dabei mache ich Bekanntschaft mit einem "nutfree" Kuchen, der auch "produced in a nutfree zone" ist. Was ist das? Martin erzählt mir später von einer (Erd)-Nuss-Allergie, die in Britannien grassiert. Von sowas werde ich noch mal ganz Allergie-allergisch werden. Hoffentlich wird das nicht auf dem Festland eingeschleppt.




Schon mal was von Karel Fiala, Kveta Fialova, Olga Schoberova gehört? Wir waren im Kino. Erst tchechisch von 1964 über "Lemonade Joe" (spricht man wie geschrieben). Ein East-Western mit wilden Schieszereien, Saloons, Whiskey und Kokaloka für die Saubermänner, die beim unausbleiblichen Ballern noch treffen wollen. Dann ein Blick auf die Uhr, Hektik, ein Taxi, das nächste Kino: "Master and Commander". Nachtleben in Edinburgh kann aufregend sein, wenn die Zeit zwischen den Vorstellung knapp ist.
Über allem thront ichweissnichtwas im Scheinwerferlicht.







Richtig kalt ist es heute und auf unserem Spaziergang kann sich der neue irische Tweed bewähren - hält warm. In den Pfützen haben sich Bilder im Eis mineralisiert. Zwei deutlich unterschiedliche Formen zeigen sich. Links eine Figur, die eine Erinnerung an das flieszend wässrige festhält, rechts eine erdig kristalline Struktur, die das darunter liegende Bild wie überwuchert. Hier wird eine zeitliche Abfolge sichtbar: wässrig ist vor kristallin.






Reif und Eis machen haben sich breitgemacht in der Landschaft, denn sie haben ja auch genügend Spielmaterial. Unter den Schuhen knirscht es crispy und die Luft klingt klar und rein. Obwohl im Dezember, kann ich hier den kalten Tag nicht als Stück vom Winter verstehen. Es ist nur eine Zeit des Ausruhens, des Atemholens.
Wir spazieren am Bach, machen einen groszen Bogen um den Jäger und vermissen unseren Übergang auf die andere Seite, vorbei an Bettys Corner und dann endlich kommt eine flache Stelle.
Erst mein zweiter Besuch hier, doch fühle ich mich heimisch, beginne die Landschaft zu verstehen und geniesze die stille Gemütlichkeit "meiner" Hütte. Auch dort ist Advent mit Kerzen, Kuchen und Kaliber. Ich bin zu Hause.



Der Rückflug geht früh, aber er geht pünktlich. Nochmal ein endloser Sonnenaufgang über den Wolken, der mich bis London meinen Kopf verrenken lässt. Klar, ich fliege wieder irisch. Oben scheint die Sonne. Auch auf den Flügel rechts neben mir doch sinnigerweise sind da Jalousien. Ein Stückchen runterziehen und es blendet nicht mehr. Mein Nachbar nickt erfreut. Wir sind schon kurz vor dem Landeanflug, der Stuart kommt durch die Reihen, schaut nach dem Rechten und bittet, die Jalousie zu öffnen. Ich schieb sie hoch. Es blendet doch sehr. Ich zieh sie wieder ein Stück runter. "Fasten seat belts" und die Stuardess macht jetzt den letzten Durchgang. Ich soll die Jalousie wieder öffnen. Ich habe keine Lust. Ich soll! die Jalousie wieder öffnen. Ich erkläre, dass die Sonne blendet - just right in my eyes und dass wohl für diesen Zweck an den Fenstern Jalousien angebracht sind. Nun höre ich, diese Anordnung diene der Sicherheit. Ich wende ein, dass ich nicht glauben kann, die Firma Boeing baue unsichere Jalousien in Flugzeuge ein. Falsch gedacht, denn, so erfahre ich, dies diene meiner Sicherheit, damit ich im Falle eines Zwischenfalls sehen könne, was auf mich zukommt. Aber wenn ich die Jalousie öffne, kann ich doch nichts sehen, weil mich die Sonne blendet. ?! In den Augen der Stuardess blitzt Verzweiflung auf und ich gebe nach, weil ich ja auch nicht will, dass Sie im Gang stehend landen muss. "If You instruct me to do this, I'll do, even it makes no sense." Ich rette uns beide.
Sicherheitsvorschriften und Erdnussallergie können sie behalten. Hoffentlich ist es nicht ansteckend.