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In Schottland



Schon seit Tagen liegt ein stabiles Tiefdrucksystem über Schottland, das ja irgendwann mal verschwinden muss, erst recht, wenn ich dort bin. Und so schien es auch: London noch im üblichen Nieselregen, Edinburgh sonnig bei der Ankunft am frühen Abend. Martins Glück mit Autos (bei unserem letzten Ausflug platzte ein Reifen) setzt sich nahtlos fort. Ein Fehler in der Elektrik sorgt dafür, dass wir mit dem Überbrückungskabel winken müssen um vom Parkplatz zu kommen. Aber das klappt sofort und schon sind wir in der Innenstadt und suchen einen strategisch günstigen Parkplatz für den nächsten Startversuch.
Milde Luft und Saturdaynightfever erfüllen die Straszen, ein milder Zug vom Meer erinnert daran, dass wir in einer Küstenstadt sind. Leise Erinnerung an den Besuch in Bergen (Norwegen) durchzieht mich und es kommt mir garnicht so englisch vor. Wir stromern durch die Stadt, genieszen Aus- und Anblicke, besuchen ein paar Restaurants. Obwohl es schon auf halb elf zugeht, dämmert es noch und will nicht Nacht werden. Zweiter Start dann mit Hilfe eines Taxi, an dem Strom gemolken wird, Stadtrundfahrt mit kurzem Stillstand (am Berg), Weiterfahrt nach Süden, wo sich die Hügelkette der Pentlands bis zum Ziel in Garvald erstreckt. Wie es mit den Dörfern immer geht, so gehts auch hier: grosze Strasze, kleine Strasze, Garvald, Feldweg, Auto abstellen. (Holla!) Dann das Gepäck über einen Zaun wuchten und da liegt die Hütte. Ganz allein mit sich, umrahmt von Rhododendron. Das Auto kriegen wir nicht mehr in Gang aber das wird auch nicht so ernst genommen.







So folgt am nächsten Morgen dann etwas Motorsport - starten, hin und herfahren und die Autos aus dem Gelände entfernen. Ein späterer Anruf befahl uns dann zu "Betty's Corner", dem Haus, dessen Zufahrt wir in der Nacht verstellt hatten. Dort mussten wir Betty abholen, ein zwar ergraute aber resolute Person, die uns angemessen beschimpfte, weil wir keine richtig gute Entschuldigung vortragen konnten und mit Konsequenzen drohte.
Sonntag ergingen wir uns die Umgebung, ich lernte die vier Häuser von Garvald kennen, erfuhr etwas über die örtlichen Gepflogenheiten und gewann meine ersten Eindrücke der Umgebung.


Die letzten Ausläufer der Pentlands sind milde Hügel, darauf Wiesen und darauf Kühe ohne Hörner und Schafe. Garvald liegt nicht nur auf einer Wasserscheide, sondern auf der Farm kann sogar entschieden werden, ob das Wasser zum Atlantik oder in die Nordsee flieszen soll. Und noch weitere Bekanntschaften machte ich: ich lernte die "residents" aus dem Rowan-House kennen, einige Mitarbeiter vom "care-staff" und die Küche. Und weil es (nicht nur für GB) ungewöhnlich ist, soll mit dem Lob nicht gespart werden: das Essen ist wirklich überdurchschnittlich gut und wenn man sich verführen lässt, kann man hier mit Lust und Laune zunehmen.




Am Sonntag gab es gleich ein gesellschaftliches Ereignis: Reiter kamen auf den Hof, nahmen einen kleinen Imbiss, es wurde geplaudert und ich erlebte ganz Garvald im Park: Residents, Reiter, Care-Staff und Besucher tummeln sich im freundlichen Durcheinander auf dem Gelände. Auch hier ergab sich wieder eine Gelegenheit die Backkunst der Garvald-Bäckerei, die exzellente süsze Dinge zaubert, zur Freude des Publikums unter Beweis zu stellen. Noch nach Tagen zehrten wir in bedürftigen Momenten immer noch von den Schoko-Cakes.





Und dann war auch Alltag dran und eine Aufgabe für die nächsten Tage wurde gebraucht. Nach groszen Wanderungen stand mir nicht der Sinn, da das Wetter schon klarstellte, dass ein Tag ohne Regen ein Ereignis mit Ausnahmecharakter bleiben würde. So folgte ich Martins Anregung und beschäftigte mich mit dem Bach, der den Park durchflieszt. Eine gewalttätige Flut hatte zwar alles mögliche fortgespült und gereinigt doch auch eine Menge Unordnung angerichtet und neue Dinge herbeigebracht. Dazu Unkraut am Rand und Unrat im Bach machen ein Bild wie hinter dem Bahndamm und was wie der springende Punkt auf dem Gelände sein könnte, ist zu einem Abfluss geworden, der im unteren Teil seinen Charakter als Kloake auch mit angemessenem Odeur kundtut. So konzentrierte sich dann in den folgenden Tagen meine Arbeit ganz auf die Aufräumarbeiten. Das Unkraut wurde geschnitten, überwuchernder Rhododendron beschnitten und ausgesägt, der Müll entfernt und dem Bach wieder ein Gesicht gegeben. Sogar Martin hat seinen freien Tag in Waagschale geworfen, damit zum Tag der offenen Tür am Samstag die Arbeit fertig wurde. Hin und wieder wurde ich für meinen Einsatz gelobt und so teile ich mit Martin die Hoffnung, dass wirklich etwas verstanden wird, vom Wasser, vom Bach, von der Landschaft, von der Arbeit und vom Ergebnis.








Und wir haben es auch geschafft. Rechtzeitig zum "open house" war das Werk getan und etwas ermattet aber sehr befriedigt genoss ich den zweiten sonnigen Tag in Garvald. Zum open house gab natürlich die Bäckerei ihr Bestes und die hotdogs und Lamb-Mint-Burger waren auch nicht schlecht.
Natürlich war das nicht alles. Lange, intensive Gespräche mit Martin am Abend sind wie immer ein Erlebnis, manchmal erhellend, manchmal dramatisch und durchgehend witzig. Dann war da noch: Ausgehen, Einkaufen wie Penner, IRN-Brew, Kaliber, Essen im fremden Wohnzimmer, (man nennt es dort Restaurant) Kino in Edinburgh (X-Men), fish without chips, nächtlicher Besuch am Hafen, spätabendliche Serenade mit Martin und Craig about the donkey-work, herumlaufen um Garvald.
Deutschen Staff gibt es dort, Dänen und Südafrikaner sind weitere Fraktionen. Dazu Austauschschüler, Sozialpraktikanten aus der Ulmer Waldorfschule - jede Menge Buntes und der Flughafen von Edinburgh ist ein viel besuchtes Ziel. Nach ein paar Tagen entstehen dann freundliche Beziehungen zu den Residents, ein Fahrrad richten und vor allen, dass ich "the donkey-work" tue, beschert mir Aufmerksamkeit und (teilweise lautstarke) Zustimmung, auch die Damen halten mir Stühle (neben sich) frei.
Auffallend ist das Wasser. Es mag sich ja für den guten schottischen Whisky eignen, doch sanitäre Anforderungen sind damit nicht so wie gewöhnlich zu erfüllen. Schon nach ein paar Tagen beginnt mein Handtuch eigenartig zu riechen und auch meine Verdauung reagiert. Und manchmal, wenn man das Gesicht auf die Hände stützt, dann riechen die auch. Merkwürdig.


Dann war da noch unser Ausflug in die Highlands, mehr an den Fusz derselben. An Martins freiem Mittwoch haben wir das Mitarbeiterauto gebucht und uns auf den Weg zu Loch Tay gemacht. Erste Übung: verfahren und in Scone einen Schlosspark durchstreifen. Dort gibt es den Moot or Boot Hill, wo die schottischen Könige in den Stiefeln herbeigebrachte Erde ihrer Fürsten als Treueerklärung entgegennahmen - heisst es. (Entweder hatten die sehr grosze Stiefel oder die haben beim Hügel ein biszchen geschummelt.) Ein alter Friedhof fiel unserer Neugierde zum Opfer und wir trafen möglicherweise die Mutter aller europäischen Douglasien dort, aus Amerika von Herrn Douglas in Samenform herbeigeschifft. Abschliessend wurde noch ein trickreiches Labyrinth entschlüsselt und auf der Weiterfahrt machten wir uns lustig über Jene, die sagen, in den Bergen fühlen sie sich so beklemmt und eingeschlossen, weil man ja da nicht die Sicht hat wie im flachen Land.




Loch Tay ist, wie man sieht, ein richtiges Loch. Berge bis zu tausend Metern in der Nähe und die Hügel reizen trotz kritischer Wetterlage zu einer "Besteigung". Tatsächlich haben wir einen geschafft, was in Anbetracht der Arbeit der Vortage und dem entsprechendem Muskelkater fast eine Leistung war. Belohnt wurden wir durch nur leichtes Einnieseln und einem beeindruckendem Rundumblick auf ein, sich im wechselnden Licht ständig anders gebärdendes Landschaftsbild. Und weil es so schön "olde english" ist, konnte ich am Postoffice nicht einfach vorbeilaufen.








Perth apostrophiert sich selbst als "Perfect City", wird dafür aber sicher nur wenig Zustimmung von anderer Seite bekommen - Martins und meine jedenfalls nicht. Essen wollten wir dort im ältesten Hotel Englands(?), wo schon Sir Bob Geldorf und Rick Wakeman sich aufgehalten haben. War uns aber doch irgendwie zu alt und der Abend endete bei einem Teller Muscheln in Edinburgh - etwas laut aber voller Zufriedenheit.
Einer kommt noch.
Hier sitze ich nun im Garten von "The Bushel and Sack" in Bernston, unweit von London Stansted und tippe diesen Bericht. "Easy-Jet" hatte sich am Morgen eine Verspätung von zwanzig Minuten, einer Stunde, dann anderthalb Stunden geleistet. Weg war der Anschlussflug nach Hause. Es gab eine lauwarme Entschuldigung des Kapitäns, dann ein kurzes, heftiges Tackling am Counter von Easy-Jet über mein angeblich falsches Anstehen (aber das Schild konnte ich deutlich und richtig lesen). Entspannung erst am Schaltern von Ryanair, wo die Umbuchung wenigsten mit Freundlichkeit und einfach vonstatten ging. Hoffentlich kauft ryanair bald easyjet, denn eine so mistige Firma gehört getilgt. Ich werde schlecht über die sprechen! und beim nächsten Mal mit ryanair nach Glasgow fliegen.
Dennoch wieder nach Schottland fliegen? Bald wieder, wenn es geht.