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Dublin




Irland hat sich in mein Leben geschlichen. Schon lange habe ich diese Lieblingshemden mit dem schlichten Streifenmuster und eine gemütliche Wollweste, Telefonate mit "Apple Europa" landen in Irland, Ryanair ist dort gestartet und auch wir landen am frühen Abend in Dublin - mit Ryanair natürlich.
Natürlich ist es ein wenig nebelig, natürlich sind die Straszen nass und genauso natürlich ist am frühen Abend schon Nacht im mittleren Norden. Unser Hotel kennen wir nur aus dem Internet und hoffen, dass nichts schief gelaufen ist, denn traumhafte 50 Euro für ein Zimmer, was sonst 270 Euro pro Nacht kostet, das muss sich erst beweisen. Tut es aber.



Was in Britannien viktorianisch heisst, scheint hier "georgian" zu sein, wenn nicht, so ist es doch genau das, was wir uns vorgestellt haben: ein Ziegelbau mit Türmchen und Charakter. Ein Bett so hoch wie ein Tisch, mollig warm, gemütlich und leise. Das Fenster zum Hof zeigt uns Grün mit Palmen und der Springbrunnen dort ist das lauteste Geräusch von draussen. Geht man rechts rum, dann sind es grade ein paar Schritte und schon rauscht der Verkehr vorbei. Wir sind noch ganz durchgerüttelt und schlapp. Allein der Hunger treibt uns noch in ein malaiisches Restaurant - ganz vorzüglich.
Der Frühstückskellner ist auch nicht von hier und so kommt durch ein Missverständnis erst einmal ein "full irish breakfast" auf den Tisch. Da sind Würste drauf, und gebratenes Dings, was auch aus Fleisch ist. Ansehen genügt mir. Wir essen Pancake mit Ahornsirup und trinken das, was Kaffee heisst.




Dann wirds ernst und wir kommen zum Eigentlichen: Shopping. Zuerst muss mir der Taxifahrer den Unterschied zwischen den beiden Dorsetstreets erklären. Das ist nämlich so: die eine ist im Norden und heisst Dorsetstreet, die andere im Süden heisst aber Dorsetstreet. Hab ich nicht deutlich genug betont. Wir kommen aber in die richtige und zu "Fays". Dort werden die Schuhe hergestellt, um die es geht: Dancing Shoes for Irish Dancing. Damit macht Nicole eine Menge Lärm in unserer Wohnung. Ein Paar kriegen wir sofort, noch eins können wir morgen abholen. Dann noch mehr Schuhe, Elastics und später bin ich auch noch dran mit irischem Tweed und was sonst noch gut ist. Aber das ist ja nicht so prickelnd.


Prickelnd ist der Verkehr. Als eingefleischte Mitteleuropäer finden wir es etwas heimtückisch, wie Autos aus allen Richtungen um die Ecke kommen, noch dazu auf der falschen Seite. Wer am Verkehr teilnimmt, sollte aufgeweckt sein und frei von körperlichen Einschränkungen. Widrigenfalls ist das letzte, was man hört, vielleicht das Röhren einer groszen Hupe.

Die Autos sind flott unterwegs, die Fussgänger jedoch scheinen sie noch übertreffen zu wollen. Gerast wird allenthalben. Rote Ampeln unterbrechen auch lediglich den Strom der Strasze. Was auf dem Gehweg rennt, lässt sich davon wenig beeindrucken. Ich bin verwundert, denn mein letzter Besuch in Irland war auf dem Land, wo alles, wirklich Alles ganz, ganz gemütlich zuging. Liegt es daran, dass dort mehr Iren waren? Hier in Dublin ist es international: Im Hotel eine Schwedin, ein Deutscher, Asiaten, in der City sieht es genauso bunt aus und Sprachfetzen aus vielen, nicht nur europäischen Ländern, sausen an uns vorüber.



Trotz alldem bleibt Dublin aber unverwechselbar irisch. Die vollständige Abwesenheit imperialer Gesten ist mir hier sehr angenehm aufgefallen.
Der Tag verläuft sich unter unseren Füszen und es regnet nicht. Der Tag bleibt grau, hat zwischen elf und eins eine hellere Färbung und geht dann langsam wieder zur Dämmerung über.
In Bezug auf die "groszen Sehenswürdigkeiten" bleiben wir abstinent. Wir versäumen viele wichtige Attraktionen und lassen uns vom Stadtleben einfangen und treiben. So kommen wir dann doch zur Halfpennybridge über die Liffey und nach Temple Bar. Der einzig sichtbare Temple ist heute dort ein Betonklotz der Bank of Ireland, der Rest ist Bar - Bar an Bar.





Und da bestätigen sich meine Erfahrungen: Trinken ist wichtig und Guiness ist wichtig. Für uns ist ausruhen wichtig, denn das Highlight des Tages kommt ja noch.
Auf der anderen Seite vom Fluss ist das Arlington, wo es täglich irische Musik und irischen Tanz gibt. Wir haben kein Dinner bestellt und kriegen so auch keinen Platz an der Bühne. Im gemütlichen Halbdunkel erwischen wir noch Plätze an der Bar. Der Geräuschpegel ist schon vor der Darbietung beeindruckend. Dann kommt Musik: irisch, amerikanisch, mal mehr traditionell, mal mehr aufgepopt.



Manchmal können wir mitsingen doch bei "Country Roads" versagt meine Stimme und ich überlasse den anderen den Spasz allein. Dann aber endlich "irish dance" und Nicole steht auf, geht näher ran und spioniert Füsze aus. Ich kann mich ohne Lerneifer erfreuen lassen. Was auf der kleinen Bühne gezeigt wird, ist fraglos bühnenreif. Allerdings: faszinieren lasse ich mich beim Irish Tap davon, dass gute Akteure in strenger, gerichteter Haltung mit kaum bewegtem Oberkörper ihre Füsze bewegen. Der Tänzer ist oben wie aufgehängt am Unsichtbaren, hüpft nicht auf heissen Kohlen und hält sich in der Schwebe - schwerelos, nicht gegen die Schwerkraft, sondern ganz in der Leichtekraft. Das ist wirkliche Kunst, das Geistige im Physischen sehbar zu machen. Die modernere Ausrichtung gibt viel auf das Akrobatische und das Arrangement. Pech. Aber ansehnlich.

Es war spät letzte Nacht und angenehm ist ein Ort, an dem der "good morning" bis zum Mittag geht und um elf noch Frühstück zu haben ist. Heute haben wir einen richtig irischen Taxifahrer erwischt. Der weiss auch nicht, was uns die "Spire of Dublin" lehren soll. Die soll für 30 Millionen Euro die Unverwechselbarkeit Dublins sicherstellen. Er weiss auch nicht, warum man hier so wild rennt, denn - so meint er - man komme ja doch nirgendwo hin. Wir stellen eine Verbindung zu den bequemen Polstern in den Restaurants her. Das Wetter findet auch er ungewöhnlich mild und trocken und ganz glücklich sind wir, als die Sonne für Momente durch die Wolken bricht.
Wir laufen wieder in der Stadt herum, suchen originelles und originäres Irisches. Auch Pech. Im Gift-Shop dominiert Guiness alles: Pantoffel, Kerzen, T-Shirts, alles in dunkel und weiss. Bis auf Kneipen, Kleidung und Kitsch ist auch in Dublin alles durcheuropäisiert.





Nur bei "Lush" finden wir Exotisches: Seife wie Kuchen, Seife wie Käse. Eine heisst "Reincarnation" und gleich daneben liegt "Hybris" oder "Hybrid". Fotografieren durfte ich nicht, warum nicht weiss ich nicht. Hier ist man ohnehin sehr auf Sicherheit bedacht. Überall Kameras und in nahezu jedem Shop steht Security herum, auf den Straszen eine nachhaltige Präsenz von Privaten und Polizei, irische "Garda".
Für das obige Photo der Straszenaufschrift fand ich einen Ampelmast als Stativ passend. Nicht ganz einfach, (etwa IV-) mit der Kamera in einer Hand, die andere um den Mast gewickelt, vom Fuszgängerstrom umtost. Beim dritten Versuch fühle ich Unruhe hinter mir und eine Hand an meinem Bein. Die Garda ist angerückt, fragt nach meinem Tun und findet die Aufschrift eigentlich nicht so besonders, kann sich nicht vorstellen, wozu man das fotografieren will. Okay, ich ändere meine Taktik und kriege zur Belohnung noch eine schöne Frontalansicht.



Zweiter Tag ist schon letzter Tag und so geben wir uns nochmal die volle Dröhnung Stadt: den Stadtplan in der Hand erschliessen wir uns den Rest der Innenstadt. Hier wird heute gesammelt für "charity", ganze Schulklassen singen und klappern mit Büchsen. Musiker spielen folkssongs, die Kasse klingelt. Zwei stehen da mit leerem Topf. Die spielen nämlich keine Folksongs, sondern Jimi Hendrix. Die kriegen mein Geld.
Hier auf der Graftonstreet gibts auch richtig guten Kaffee bei Bewley's und eine Aussicht auf das bunte Treiben auf der Strasze. Alle Aufgaben sind erledigt, wir haben die Zeit, nach dem Besonderen zu suchen.
Waldorf haben wir dabei gefunden und ich konnte endlich noch die Tür von "Coca Cola Ireland" der Sammlung der berühmten "Dublin-Doors" anfügen, die wir auf dem Weg zwischen Hotel und Innenstadt täglich passieren.
Es wird wieder dunkel.







Klasse Idee, Klasse Design.

Leider war ich schon rasiert und einen Gutschein hatte ich nicht.



Wir fanden Fischessen am Abend in einer Seestadt angemessen, waren mit dieser Ansicht jedoch ziemlich allein. Das Gefühl fürs Meer gibt es in Dublin nicht so, wie in anderen Städten. Nur mit Mühe und dem Fremdenführer fanden wir zu einem Fischrestaurant mit gutem Ruf. War alt und eingesessen aber auch etwas langweilig.
Was fehlt noch? Eine Liste von dem, was fehlt.
Der letzte Morgen sieht uns früh im Taxi zum Flugplatz. Und das scheint mir auch wirklich irisch: die Fahrpreise sind arg unterschiedlich, ständig werden uns Extras auf das Taximeter geladen, ohne Kommentar, mal soviel, mal soviel und wenn die Uhr abgeschaltet wird, dann kommt noch ein anderer Betrag dabei heraus. Das werden wohl Touristenzuschläge sein.
Nicole checkt nach London ein, meine Reise geht nach Edinburgh. Natürlich fliegen wir mit Ryanair. Und auch wenn ich dann nur mit easyjet nach London komme: ein biszchen irisch wird mein Leben wohl bleiben. Ich stecke im Tweed aus Donegal und fliege irisch.